Nach einjähriger coronabedingter Abstinenz vom Segeln auf Nord- und Ostsee sind Marko und ich in der Woche vor Ostern endlich wieder zu einem Törn aufgebrochen. Ziel war es, die Insel Samsö zu umrunden. Samsø ist eine dänische Insel im Kattegat, zwischen der jütischen Ostküste, der seeländischen Halbinsel Røsnæs und Fünen. Die Insel hat 3682 Einwohner und ist 112,06 km² groß.
Wir starteten dazu morgens um 06.30 Uhr in Hamburg, sodass wir gegen 09.30 Uhr in Juelsminde unseren „Dampfer“ übernehmen konnten. Gechartert hatten wir wieder einmal über PCO bei Mola Yachting mit Sitz auf Rügen. Die Abstimmung mit Kem, dem Stationsleiter von Mola in Juelsminde funktionierte unkompliziert. Wir wurden von Kem direkt in Juelsminde am Boot in Empfang genommen. Allerdings mussten wir feststellen, dass zur Übernahme nicht die gecharterte Hanse 325 bereit lag, sondern eine Bavaria 37. Das hatte uns im Vorfeld niemand mitgeteilt. Kem war ehrlich überrascht, dass wir dies nicht wussten. Für uns ärgerlich, da wir nur zu zweit unterwegs waren und daher extra ein kleineres Boot gewählt hatten. Zudem sind Marko und ich nun keine wirklichen Bavaria – Fans. Aber es blieb keine Alternative, also übernahmen wir etwas enttäuscht den Cruiser aus Giebelstadt.
"Unsere" Bavaria 37 "Johanna"
1. Seetag: Juelsminde – Ballen auf Samsö (25 nm)
Nach der Übernahme der Yacht machten wir gleich die Leinen los und es ging von Juelsminde Richtung Samsö. Die Windverhältnisse waren durchaus bemerkenswert. In Böen waren über 30 kn angesagt. Nachdem wir die Nordtonne kurz hinter Juelsminde passiert hatten, rollten wir die Fock aus und es ging mit Raumwind Richtung Ballen auf Samsö. Zwischenzeitlich flog uns Graupel ins Gesicht und es war mit ca. 4 Grad einigermaßen frisch.
Schlag 1: Juelsminde - Ballen/Samsö
Als wir die Insel Endelave an Backbord querab passierten, baute sich eine beachtliche Welle auf, die von achtern angerollt kam, sodass wir bei Böen in 34 kn aufpassen mussten, kein Querschlagen des Bootes zu verursachen. Aber Marko steuerte souverän und wir konnten weiter Kurs Richtung Ballen nehmen, das wir von Kälte, Wind und Seegang einigermaßen erschöpft gegen 17.00 Uhr erreichten.
Marko souverän am Ruder bei 7 Bft
Böen bis 34 kn
Seegang bis 2 m von Backbord Achteraus
Obwohl eigentlich eigenes Kochen geplant war, entschieden wir uns, im Hafen zu essen. Wir wählten das Restaurant Dokken, was mit einem freundlichen Service aufwartete, aber kulinarische Höhenflüge erlebten wir dort leider nicht. Letztlich dennoch ein sehr gelungener erster Seetag mit einem eigenen Schwerwetter - Training, für das man anderenorts viel Geld bezahlen muss.
Ballen auf Samsö im April: Noch ist es schön ruhig!
2. Seetag: Ballen auf Samsö – Ebeltoft (30 nm)
Am zweiten Tag starteten wir mit Sonne und deutlich weniger Wind gegen 09.30 Uhr von Ballen in Richtung Ebeltoft. Nachdem wir das Groß gesetzt und die Fock ausgerollt hatten, ging es mit vollem Tuch und guten 6,5 Knoten Richtung Lindholm Sund vor Samsö.
Kurs Lindholm - Sund: Samsö an Backbord querab
Der Lindholm – Sund ist navigatorisch spannend, da sich dort innerhalb weniger Meter die Tiefenverhältnisse von 11 Meter auf 0,5 Meter ändern. Es ist also erforderlich, genau zu navigieren und sauber mit Karte und Kompass zu arbeiten. Wir haben jede Angabe auf dem Plotter mit der Navigationsapp Navionics überprüft und die Angaben in der Navigationsapp allesamt kontinuierlich mit der Seekarte abgeglichen.
Navigation durch den Lindholm - Sund
Das ist nur jedem unbedingt zu empfehlen. Denn auch wenn das eine Selbstverständlichkeit im Sinne einer Guten Seemannschaft sein sollte, neigt man natürlich aufgrund der zunehmenden Digitalisierung dazu, sich wie selbstverständlich auf die Navigationssoftware zu verlassen.
Aber auch die beste Software hat ihre Tücken: So haben wir etwa bei der Navigation zwischen dem Lindholm – Sund und Ebeltoft bei der Angabe einer Tiefe für ein Wrack eine Differenz von einem Meter (!) zwischen der Angabe in der Seekarte und der Navigationssoftware Navionics festgestellt:
Wrack in der Seekarte bei 4,6 m
Wrack an derselben Stelle im Plotter bei 5,6 m
Bei der Ansteuerung nach Ebeltoft ist auf die in der Ebetoft Vig weit in das Wasser herausragende Flachwasserstelle zu achten: Für Vögel ein wahres Naturparadies, aber für den Segler gefährlich, da dort die Wassertiefe innerhalb weniger Meter von ca. 14 m auf 1 Meter ansteigt.
Nachdem wir uns von dieser Stelle mit angemessenem Abstand freigehalten hatten, erreichten wir nach einem intensiven zweiten Seetag das schöne Städtchen Ebeltoft.
Ebeltoft ist eine dänische Kleinstadt mit 7220 Einwohnern. Sie ist auf der jütländischen Halbinsel Djursland an der oben schon erwähnten Ebeltoft Vig, einer Meeresbucht des Kattegat, gelegen und gehört zur Gemeinde Syddjurs. Die Stadt lebt einerseits von ihrem Yacht- und Fischereihafen, andererseits vom Fremdenverkehr, der durch das idyllische Flair der historischen Altstadt aus dem 14. Jahrhundert begünstigt wird.
Auch hier ließ aber die Kulinarik leider auf sich warten: Meine Pizza Kebab war ein Reinfall, und auch Marko hatte nach seiner Teigware schwer zu kämpfen. Jedenfalls erlebten wir eine wunderschöne Abenddämmerung in der Marina von Ebeltoft, die mich mit den roten Ferienhäuschen an Bagenkop auf Langeland erinnerte; wenngleich um einiges größer.
Impressionen aus Ebeltoft
3. Seetag: Ebeltoft – Hou (30 nm)
Nachdem wir in Ebeltoft abgelegt hatten, passierten wir zunächst wieder die Ebeltoft Vik, um dann abzufallen und Kurs auf Sletterhage zu nehmen. Nachdem wir Sletterhage an Steuerbord passierten, machte Marko von Backbord kommend die High Speed Ferry aus Richtung Seeland aus, deren Fahrwasser wir bereits am Vortrag auf der Karte gesehen hatten. Eine dieser Fähren läuft nach Ebeltoft und die zweite nach Arhus. Wir stellten schnell fest, dass die von uns gesichtete Fähre den Kurs Richtung Arhus nahm. Die Fähre war zügig – besser gesagt: richtig schnell unterwegs.
Die Schiffsflotte der dort eingesetzten High Speed Fähren besteht aus der Incat-Katamaran-Schnellfähre Max Mols (220 Pkw, 800 Passagiere, 38.480 PS, Geschwindigkeit max. 38 Knoten) und der im April 2012 auf der Route Odden – Ebeltoft in Betrieb genommenen, 112,6 Meter langen KatExpress 1 (heute Express 1), der bisher größten Schnellfähre auf dieser Linie. Das 36 Knoten schnelle Schiff bietet Platz für 1200 Passagiere, 417 Pkw und bis zu sechs Busse.
Diese Schiffe rasen also mit ca. 70 km/h durch das Wasser und das muss man wirklich ernst nehmen. Wir korrigierten den Kurs und hielten konsequent auf das Heck der Fähre zu, sodass sie uns in ausreichendem Abstand passieren konnte.
Wir dachten nun, dieses rasende Ungeheuer sei vorbei und es könne entspannt weitergehen. Da erkannte Marko weit entfernt jedoch die entgegenkommende Fähre aus Arhus. Wir dachten, dass wir das Fahrwasser werden passieren können, bevor die Fähre an unserem Ort sein wird. Aber weit gefehlt: Wir stellten fest, dass sie sich derart schnell näherte, dass wir handeln mussten. Wir entschlossen uns, zwei Mal zu wenden, damit auch diese Fähre an uns vorbeiziehen konnte.
Danach nahmen wir Kurs auf den Tunö Knob, eine Enge zwischen der Samsö vorgelagerten Insel Tenö und einer Flachwasserstelle, auf der ein Windpark errichtet worden ist, um dann Kurs auf das Fischerdorf Hou zu nehmen.
Passage des Tunö Knob
Auf dem Weg dorthin entdeckte Marko zwei Schweinswale, die direkt an unserem Heck vorbeizogen und immer wieder auftauchten, um Luft zu holen. Die Schweinswale gehören zu der Familie kleiner Zahnwale. Sie sind mit den Delfinen verwandt, unterscheiden sich aber in einer Reihe anatomischer Merkmale. Besonders charakteristisch ist die Form des Kopfes und der Zähne. Am bekanntesten in Europa ist der Gewöhnliche Schweinswal mit Vorkommen in Nord- und Ostsee. Wie alle Zahnwale sind sie in der Lage, Ultraschall zur Echoortung einzusetzen. Schweinswale sind schnelle Schwimmer – der Weißflankenschweinswal soll mit 55 km/h zu den schnellsten Walen zählen. Ihre Sprünge an der Oberfläche sind dagegen wenig akrobatisch.
Am rechten oberen Bildrand tauchen die Schweinswale immer mal auf - wirklich!
Die Passage des Tunö Knob war unspektakulär. Einige Seemeilen vor Hou hatten wir unsere dritte Begegnung mit der Berufsschifffahrt: Von Samsö kommend lief die Fähre nach Hou auf Kollisionskurs. Diese Fähre war bei weitem nicht so schnell unterwegs, wie die rasenden Ungeheuer vor Arhus, aber auch hier entschieden wir uns nach dem Prinzip „Safety first“, den Kurs so zu korrigieren, dass wir uns in großem Abstand freihielten. Als wir allerdings kurz vor Hou lagen, hatte die Princess Isabella ihre Beladung bereits abgeschlossen und lief uns nun wieder entgegen. In angemessenem Abstand passierten wir einander, sodass wir nun den Anleger vorbereiten konnten.
Princess Isabella an Backbord voraus
Aber Neptun hatte noch eine weitere Besonderheit für uns vorgesehen: Die Hafeneinfahrt von Hou war jedenfalls auf der uns zugewandten Seite, die ausreichende Tiefe versprach, wegen Ausbaggerarbeiten gesperrt. Allerdings winkte uns der freundliche Vorarbeiter auf dem Baggerschiff heran und wies uns an, direkt an dem Bagger zu passieren, währenddessen die Arbeiten für uns unterbrochen wurden. Dänische Freundlichkeit!
Eigentlich sollte man sich von diesem Seezeichen deutlich freihalten...
...aber der Bagger ließ uns durch und unterbrach extra seine Arbeiten...,
...trotzdem ein eigenartiges Gefühl so nah dran vorbei - fand auch Marko am Steuer.
Nun konnten wir endlich den Anleger fahren und freuten uns, nach diesem „Fähren – Tag“ in Hou angelandet zu sein. Über Hou gibt es nicht wirklich viel zu berichten: Ein kleines Fischerdorf mit einer typischen Marina und einem Fährhafen nach Samsö - das war es im Wesentlichen. Nicht schlimm - aber auch nicht mein Traumziel.
Schlag 3 von Ebeltoft nach Hou
4. Seetag: Hou – Juelsminde (18nm)
Für den vierten und letzten Tag unseres Törns waren interessante Wetterverhältnisse vorhergesagt worden: Morgens sollte der Wind auf Südost drehen und dabei noch mit ordentlichen 18 kn über Samsö hinwegfegen. Aber mittags sah die Vorhersage weitere umlaufende und abschwächende Winde, die bis auf Süd drehen sollten, also genau aus der Richtung, in die wir wieder zurück wollten.
Wir entschlossen uns, morgens zu starten, um noch das gute Segelwetter mitzunehmen, um dann gegen Mittag in Juelsminde einzulaufen, wenn der Wind einfallen bzw. direkt aus Süd - Südwest kommen sollte.
Beim Ablegen half mir dann - obgleich ich es ziemlich unsouverän finde - das Bugstrahlruder mit einem kurzen Schubser, vom Steg wegzukommen, da trotz Eindampfens der Wind uns beachtlich nach Backbord drückte. Nun gut - Augen zu und durch.
Nachdem wir wieder an unserem Freund, dem Baggerführer vorbeigelaufen und die Princess Isabella auch gleich noch mit verabschiedet hatten, da sie uns natürlich wieder genau entgegenkam, als wir uns auf den Weg machten, gingen wir in das Fahrwasser südlich von Hou und nahmen Kurs Südost - zunächst nur mit gerefftem Groß, später mit der Fock. Wir waren nochmals zügig unterwegs; bis zu 7,5 kn konnten wir Johanna entlocken.
Sögrund passiert - Kurs Juelsminde!
Nach etwas mehr als 100 Seemeilen haben wir Johanna wohlbehalten bei Kem in Juelsminde wieder zurückgegeben. Die Rückgabe war genauso entspannt, wie die Übergabe - Kem gestaltet das wirklich nett, angenehm und unkompliziert.
Fazit:
Eine interessante Törnstrecke, die man entspannt in vier Tagen segeln kann. Navigatorisch etwas anspruchsvoller ist der Lindholm Sund und die Ansteuerung Ebeltoft, aber letztlich nicht wirklich ein Problem. Juelsminde, Ballen und Ebeltoft sind schöne Marinas. Im April, gleich zu Beginn der Saison zu starten, hat den deutlichen Vorteil, in noch leere Häfen einzulaufen - den Liegeplatz kann man sich dann aussuchen. Allerdings ist es sicher nicht jedermanns Sache, bei 4 Grad Temperatur mit Graupel und Böen bis zu 34 Knoten auf das Wasser zu gehen. Das muss man mögen. Marko und ich waren in unserem Element - mit ausreichend warmer Kleidung ist die Jahreszeit wahrlich kein Problem. Jedenfalls habe ich lange nicht mehr so gut geschlafen.
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