„Wollen wir an Pfingsten mit Gatsby segeln?“, fragte ich meinen Freund Ralf, nachdem ich per Zufall auf der Seite handgegenkoje.de auf eine Anzeige gestoßen war, die Interessantes zu bieten schien. Da waren zwei Kojen frei. Auf Gatsby, eine dieser Yachten, deren Namen in Seglerkreisen einen besonderen Klang haben.
Gatsby und der mehrfache Weltumsegler Wilfried Erdmann stehen spätestens seit dem Buch „Ein unmöglicher Törn“ in untrennbarer Verbindung. Im Jahre 1989 verloste der Stern eine Segeltour mit Gatsby auf der Nordroute von Cuxhaven nach New York und zurück – mit Wilfried Erdmann als Skipper. Fast alle Gewinner des Preisausschreibens waren " Landratten " und konnten beim Ableger in Cuxhaven gar nicht segeln. Am Anfang ging es vom Wetter her auch gut - aber irgendwann kamen die Stürme und Orkane auf dem offenen Atlantik. Und damit auch die Konflikte innerhalb der Crew und mit dem Skipper. Erdmann beschreibt in dem sehr lesenswerten Buch, wie er versucht, die Mannschaft zusammenzuhalten und zu motivieren. Noch Jahre später hat er sich über diesen Törn geärgert.

Leider nur noch antiquarisch zu haben: "Ein unmöglicher Törn" mit Gatsby und Erdmann
Besonders faszinierend ist in der Rückschau, wie sich seit Ende der 80er Jahre die technischen Rahmenbedingungen des Hochseesegelns verbessert haben: Auf Gatsby - mit einem Wert von seinerzeit 1,2 Millionen DM - war ein modernes SatNav eingebaut, mit dem man seinen Standort bestimmen konnte – eine Sensation zur damaligen Zeit. Aber die Berechnung der eingefangenen Daten der nur selten vorbeiziehenden Sateliten dauerte etwa 20 Minuten. Was für ein Unterschied zu heutigen Plottern mit GPS oder gar NavApps auf Tablets.

Sieht fast so aus, wie der Einband des Buches, nur auf anderem Bug: Unser Törn auf Gatsby
Ich kann nur allen Seglern dieses Buch empfehlen – ich habe es fast an einem Stück durchgelesen! Aber auch für Coaches und Führungskräfte ist das Buch gleichermaßen interessant, weil es u.a. vielfältige Psychogramme der Crewmitglieder bietet. Heute spricht man im Zusammenhang mit dem Handling der unterschiedlichen Charaktere an Bord von Crewmanagement und kann zum Erlernen dessen teure Seminare buchen. Erdmanns Buch ist da deutlich kostengünstiger, aber nicht minder informativ.
Und nun ergab sich für uns die Gelegenheit, auf Gatsby mitzusegeln und ein wenig Segelhistorie zu erspüren. Ralf war sofort begeistert und sagte zu, zumal er es war, der mich damals auf das Buch „Ein unmöglicher Törn“ hingewiesen und mir seine antiquarische Ausgabe ausgeliehen hatte.
Nachdem ich mit Susanne, der Lebensgefährtin des Eigners, Kontakt aufgenommen und die Organisation geklärt hatte, konnte es losgehen. Aber irgendwie steckte von Anfang an ein wenig der Wurm in dem Törn. Denn eigentlich sollte es schon am Freitag aufs Wasser gehen. Ralf und ich waren aber deutlich zu spät aus Hamburg losgekommen und somit konnten wir an dem Tag auch nicht mehr in Marina Minde auslaufen, wo Gatsby ihren Heimathafen hat.
Als wir dann am Freitagabend endlich angekommen waren, konnten Ralf und ich unsere Begeisterung in Bezug auf die Optik und den ersten augenscheinlichen Zustand des Bootes – oder eher des Schiffs – nicht zurückhalten.
Gatsby: Ein Steckbrief
Die Gatsby ist eine Baltic 51s, gebaut 1988 von Baltic Yachts in Finnland als letzte Baunummer (24) dieses Typs, gezeichnet von C&C Design.
· Länge über alles 15,5m Länge in der Wasserlinie 12,5m
· Breite 4,66m, Tiefgang 2,74
· Verdrängung 15,6 t, davon 6,1t Ballast
· 76 PS Yanmar Diesel
· Segefläche 114qm (Groß 46qm, Vorsegeldreieck 68qm)
· Masthöhe 20,74m
· Rufzeichen DECH

Gatsby am Heimatsteg in der Marina Minde
Die Baltic 51 von C&C wurde mal als schnellstes Teakdeck Deutschlands bezeichnet. Und tatsächlich ist sie eine schnelle, qualitativ hochwertige Segelyacht, die ohne Zweifel für Regatten besten geeignet ist. "Gatsby" ist die letzten Jahre immer wieder bei der Schiffahrtsregatta dabei gewesen und hat zweimal sogar den 1. Platz ersegelt:
"Als die Baltic Yachts 1973 entstand, verfolgten die Gründer ein Ziel: den Yachtbau technologisch zu revolutionieren.
Um komfortable Cruising-Yachten in bester Qualität mit Regattapotenzial zu entwickeln, mussten unsere Yachten leichter und fester sein als die der Konkurrenz. Dies wiederrum ließ sich nur sicherstellen, indem wir das seinerzeit beste High-Tech-Material mit den besten Verarbeitungsmethoden einsetzten. So kreierten wir unser ureigenes Produkt für eine kleine Marktnische von sehr anspruchsvollen Seglern.
Bereits unser erstes Modell, die von dem kanadischen Konstruktionsbüro C&C nach ausführlichen Schlepptankversuchen gezeichnete Baltic 46, laminierten wir in Balsa-Sandwich-Bauweise in Kombination mit Unidirectional Rovings. Zudem verfügte sie über Rod Rigg als stehendes Gut; ein Material, das damals nur auf den Top-Regattayachten zum Einsatz kam.
So befand sich die erste Baltic 1974 bereits auf einem höheren technischen Niveau als die meisten Yachten heutzutage. Diesen Vorsprung haben wir nicht nur gehalten – wir haben ihn kontinuierlich ausgebaut. "
Das „Gatsby“ ziemlich schnell ist, sollten wir in den nächsten beiden Tagen selbst erleben.
SY Gatsby - eine Baltic 51 mit einer Länge von 15,50 m
1. Tag: Marina Minde – Middelfart 61 nm
Am Samstag ging es vormittags mit einer Fünfercrew los: Ralf und ich, der Eigner Diethard und seine Lebensgefährtin Susanne sowie Joachim, der als Navigator fungierte. Und auch gleich nach dem Ableger in Marina Minde schoben wir ordentlich Lage. Mit Wind aus Südwest bei etwa 20 Knoten machten wir sofort 8 Knoten und es sollte noch besser kommen.

Susanne und Ralf mit ordentlich Lage Richtung Sonderborg
Da wir pünktlich durch die geöffnete Hebebrücke in Sonderborg kommen wollten, musste wir uns beeilen, die Flensburger Förde hochzulaufen. Zunächst waren der Skipper und Joachim Rudergänger – und dann endlich durfte ich. Gatsby segeln. Sensationell. Was mir gleich auffiel: Das Boot war massiv luvgierig. Einerseits ja ganz prima. Aber auch eine ziemliche körperliche Herausforderung. Man kann es aber nicht anders sagen – Länge läuft. Und das traf bei Gatsby allemal zu. Ich habe wohl noch kein Boot gesteuert, dass gleichermaßen elegant, aber auch schnell bei massiver Lage unterwegs war. Wirklich beeindruckend.

Welle von achtern
Und bei allem Eindruck, was das Schiff auf mich gemacht hat und dem Umstand, dass wir rechtzeitig in Sonderborg ankommen wollten, passierte mir das, was der Albtraum für jeden Rudergänger ist: Obgleich ich nicht kneifen wollte, tat ich es unbewusst dennoch und dann machte es – einen kurzen Ruck. Und ich hatte Gatsby für einen kurzen Moment lang auf Grund gesetzt! Alles nicht dramatisch, aber trotzdem sehr ärgerlich. Von besonderer Bedeutung war sicherlich auch, dass die Baltic 51 einen Tiefgang von 2,75 m aufweist. Aber das kann als Entschuldigung natürlich nicht taugen. Ich habe schlicht nicht hinreichend aufgepasst.

Bloß nicht kneifen! - Westlich der backbordseitigen Fahrwassertonne vor Sonderborg kann es flach werden
Nachdem wir unseren Schreck verdaut hatten, ging es weiter durch den Alsen Fjord, an Dyvig vorbei Richtung Lillebelt. Wir liefen dabei weiterhin erstaunlich schnell, sodass wir schon bald direkt Kurs auf Middelfart nehmen konnten.
Mit 10 Knoten durch den Kleinen Belt
Wir passierten die Gamle Lillebeltbro, die alte Hochbrücke, welche Fünen mit dem Festland verbindet, um dann im Stadthafen von Middelfart festzumachen. In etwas mehr als 6 Stunden hatten wir ca. 60 Seemeilen geloggt!

Unter der Gamle Lillebeltbro Richtung Middelfart
Middelfart ist der Hauptort der gleichnamigen Kommune in der Region Süddänemark auf der Insel Fünen. Die Gemeinde ist 72 km² groß. Middelfart liegt etwa 11 km südlich von Fredericia, 34 km nordwestlich von Assens und ca. 46 km westlich von Odense. Die Stadt befindet sich zwischen dem nördlichen Teil von Snævringen und dem Fænøsund und verfügt an beiden Ufern über mehrere Häfen. Am Südufer von Snævringen, zwischen den beiden Brücken über den Kleinen Belt, liegen der Gemeindehafen, der Kongebro Havn und die neue Tel-Ka-Marina, am Nordufer des Fænøsund liegt im Stadtteil Russelbæk der Yachthafen Middelfart (Middelfart Lystbådehavn).

Liegen im Päckchen im Gamlehavn von Middelfart
2. Tag: Middelfart – Söby auf Aerö 41 nm
Am nächsten Morgen entschlossen wir uns, zurück durch den Kleinen Belt Richtung Aerö zu laufen, weil Ralf und ich einen Tag früher als geplant von Bord gehen mussten.
Die Windverhältnisse waren beachtlich; wir hatten teilweise um die 30 Knoten aus Südwest, was dazu führte, dass der Skipper sich vor dem Ablegen zum Reffen entschloß.
Auf geht`s durch den Lillebelt: Mit gereffter Fock und 11 Knoten Richtung Aerö
Nach dem Ablegen in Middelfart ging es zunächst etwas ruhiger und geschützt durch die Landabdeckung durch den Fanösund, bis wir den Lillebelt erreichten. Dort hatten wir ordentliche Böen von über 30 kn und einen Grundwind von min. 25 kn.

Durch den Kleinen Belt
Ich durfte Gatsby durch den Kleinen Belt bugsieren. Die besondere Herausforderung bestand wiederum darin, bei reichlich Lage die Böen bei einer extrem luvgierigen 51er auszusteuern, ohne dabei wesentlich vom Kurs abzukommen. Auch wenn das körperlich anstrengend war, machte es doch beachtlich Freude, mit einem solch schnellen Boot segeln zu dürfen.

Gelbe Rapsfelder zwischen Lyö und Fünen
Wir passierten irgendwann die gelben Rapsfelder von Lyö und hielten auf Aerö zu, Vermutlich gibt es wenige Segler, die noch nicht dort gewesen sind. Dennoch hierzu einige Informationen: Ærø (sprich: Ärö, aus dänisch Ær „Ahorn“ und Ø „Insel“, wörtlich also Ahorninsel, deutsch Arrö), nicht zu verwechseln mit Årø, ist eine Ostseeinsel und eine Großgemeinde Dänemarks mit 5951 Bewohnern (1. Januar 2021). Sie gehört zum Verwaltungsbezirk Region Syddanmark. Ærø wird in der Tourismusbranche als besonders „hyggelig“ vermarktet, gemeint ist damit „besonders idyllisch“ und „typisch dänisch“. Ich war bisher nur in Marstall, dem größten Hafen auf der Insel, und ich kann diesen Werbeslogan nur bestätigen. Selbst wann man nicht als Segler kommt, ist dieses Eiland eine Reise allemal wert.

Mit annähernd 11 kn Richtung Ærø
In Söby auf Aerö sollte nach weiteren ca. 40 Seemeilen unser "unmöglicher Zweitagestörn" mit Gatsby zu Ende gehen: Ralf und ich gingen von Bord, während die restliche Dreiercrew noch einen Tag dranhängen und weitersegeln wollte. Wir nahmen von Söby die Fähre nach Alsen zurück, die wir gerade noch in letzter Sekunde erreichten und waren uns einig, dass wir in den letzten beiden Tagen auf einem ganz besonderen Schiff mitgesegelt waren.

Unser Törnverlauf
Da hast du dir reichlich Arbeit gemacht, mit dem Bericht. Grandios.
Aber auf deine „noch zu tun“- Liste gehört damit mindestens Ærosköbing (da warst du ja noch nicht) und Segeln auf der Gatsby bei 6 Bft und Sonne (das hast du ja leider am Pfingstmontag nicht erlebt).
Vielleicht machen wir das ja mal zusammen.
Joachim