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„Sie fahren raus, wenn die anderen reinkommen!“ – Ein kleiner Beitrag zum Jahrbuch 2020 der DGzRS

Aktualisiert: 4. Apr. 2020

Vor einigen Tagen habe ich das Jahrbuch 2020 der DGzRS zugeschickt bekommen. Und als ich es in den Händen hielt, kam mir der Gedanke, hierzu einen kleinen Beitrag für den Segelblog zu schreiben. Zwei Überlegungen spielten dabei für mich eine Rolle: Zum einen soll der Blick auf die Havarien des Jahres 2020, bei denen die Seenotretter ausrücken mussten, den eigenen Umgang mit den Gefahren der See schärfen. Und zum anderen kann die Arbeit der Seenotretter nicht oft genug mit dem aller größten Respekt gewürdigt werden.


Vorab sei in diesem Zusammenhang ein Aspekt erwähnt, der mir bis zu einem Vortrag der DGzRS, den ich im vergangenen Jahr gehört habe, auch unbekannt gewesen ist: Die Arbeit der Seenotretter ist vollständig spendenfinanziert! Ich war immer davon ausgegangen, dass auch staatliche Mittel fließen, um diese wichtige Arbeit zu unterstützen. Weit gefehlt – die DGzRS finanziert sich neben den uns allen bekannten kleinen Holzschiffchen ausschließlich über Spenden, zunehmend im Rahmen von testamentarischen Zuwendungen. Also: Wenn Ihr eines der kleinen Schiffchen seht, schmeißt den Euro, den Ihr gerade beim Zahlen der sechs Biere zurückbekommen und nicht dem freundlichen Kellner gegeben habt, hinein. Oder bedenkt die DGzRS in Eurem Testament. Oder spendet einmal im Jahr einen Betrag, den Ihr entbehren könnt.



Meine Kanzlei unterstützt ebenfalls seit längerem die DGzRS. Denn seit meiner Kindheit übt die DGzRS eine besondere Faszination auf mich aus. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Junge im Hafen von List auf Sylt die „Adolph Bermpohl“ mit großer Ehrfurcht und Bewunderung bestaunte. Das lag wohl auch darin begründet, dass mein Vater mir damals die Geschichte der „Adolph Bermpohl“ erzählte: Im Jahre 1967 war der Seenotrettungskreuzer auf Helgoland stationiert. Am 23.2.1967 lief die „Adolph Bermpohl“ in einem schweren Sturm zu einem Rettungseinsatz aus und wurde mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Grundsee getroffen. Das Boot trieb daraufhin führerlos in der Nordsee – alle vier Besatzungsmitglieder waren über Bord gegangen. Im Jahre 1995 ereignete sich eine ähnlich schwere Havarie, als der Seenotrettungskreuzer „Alfried Krupp“ von einem vermutlich 26 Meter hohen Brecher – der „Draupner – Welle“ - getroffen und einmal um die eigene Achse gedreht wurde. Die Draupner – Welle war die höchste jemals in der Nordsee gemessene Welle. Zwei Besatzungsmitglieder der „Alfried Krupp“ verloren dabei ihr Leben.


Auch auf die Gefahr hin, dass diese Zeilen ein wenig zu pathetisch daher kommen: Diese Männer und Frauen, die im Einsatz bei härtesten Bedingungen auf See ihr Leben riskieren, um anderen zu helfen, sind für mich Helden unserer Zeit. Wir sollten uns selbst immer wieder vor Augen führen, dass wir durch unser Verhalten auch dazu beitragen können, die Risiken für die Seenotretter zu verringern, in dem wir uns so verhalten, dass ein Einsatz der DGzRS bestmöglich erst gar nicht erforderlich ist. Das ist in einigen Situationen nun schlicht nicht zu ändern, aber durch ein eigenes Sicherheitsmanagement an Bord, auch wenn man mit einer Chartercrew unterwegs ist, lassen sich die Risiken deutlich verringern. Aus meiner Sicht ist es – mit ganz wenigen Ausnahmesituationen – zwingend, an Bord auf Törn immer eine Rettungsweste zu tragen. Weiterhin sollte an Bord auf jeden Fall eine Notrolle durch den Skipper festgelegt werden. Und die Crew sollte gemeinsam in der Lage sein, ein MOB – Manöver zu fahren. Wenn man als Chartercrew noch nie zusammen gesegelt ist, dann sollte man das nach dem ersten Ablegen durchaus ein bis zwei Mal üben. Und last but not least: Eine angemessene Wetterbeobachtung vor und während des Törns versteht sich von selbst.


Zurück zur DGzRS: Was waren nun die wesentlichen Havarien von Seglern in 2020, aus denen man für sein eigenes Handeln eventuell Rückschlüsse ziehen kann?


Der wohl schlimmste Fall dürfte die dramatische Havarie auf der Jade gewesen sein, bei der eine 48 - jährige Seglerin und Mutter zweier Kinder ihr Leben verlor. Am 5. Mai 2019 waren vier erfahrene Regattasegler zwischen Hooksiel und Horumersiel unterwegs. Wind und Strom standen gegeneinander. Der Seegang war rau. Bei ca. 1,5 m Wellenhöhe ließ eine schwere Böe das Segelboot kentern. Bereits 10 min nach dem Unglück war der Seenotrettungskreuzer BERNHARD GRUBEN vor Ort. Unter dem Schiff wurde ein Crewmitglied eingeklemmt - erst mit Hilfe der Seenotretter gelang es, die Seglerin zu befreien und an Bord zu bringen, aber Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Die See war hier stärker, als der Mensch und alle seine technischen Möglichkeiten.


Dieser schreckliche Vorfall macht auch so sehr betroffen, weil für mich kaum vorstellbar ist, dass ein solch schweres Unglück tatsächlich einer erfahrenen Crew passieren kann. Ich habe nochmals ein wenig zu den Ursachen recherchiert. Laut YACHT war es offenbar so, dass der Jollenkreuzer unter Spinnaker gefahren ist und eine einfallende schwere Böe zu einem Sonnenschuss geführt hat. Für die Nicht- oder Wenigsegler unter den Lesern: Als Sonnenschuss wird die spontane Fahrtrichtungsänderung einer Segelyacht nach Luv aufgrund starker Krängung bezeichnet, die durch Ruderlegen nicht verhindert werden kann. Der Name ist irreführend, denn mit der Richtung zur Sonne hat diese ungewollte Kursänderung nichts zu tun.


Daraus folgt für mich die Frage, ab wann denn ein Spinnaker runter gehört. In einem Segelforum habe ich dazu dieses Statement gelesen:


"Also wir haben am Gardasee auf einer Europameisterschaft auch bei 7bft, teils knapp an 8, noch Spi gesegelt. Wie von den anderen schon gesagt, die Crew gibt die Vorgabe ab wann Schluss ist."


Der erste Satz des Statements ist für mich eher in die Rubrik "Angeberei" einzuordnen, aber mit der zweiten Aussage hat der Segelkamerad sicherlich recht. Allerdings dürfte auch für eine einigermaßen eingespielte Crew gelten, dass je nach Spigröße meist bei 4 bis 5 Windstärken Schluss ist.


Ich ziehe hieraus für mich die Lehre, bei mehreren zusammenwirkenden Risikofaktoren wie etwa Wind gegen Strom, 5 bft, rauer See und böigem Wind einen Spi frühzeitig zu bergen oder ggf. ganz auf den Einsatz zu verzichten,


Insgesamt hat die DGzRS in 2020 3.396 Menschen auf der Nord- und Ostsee insgesamt Hilfe geleistet, 54 Schiffe vor dem Totalverlust bewahrt, 137 Einsätze bei Windstärke 7 und mehr gefahren, 2.140 Einsätze mit 59 Rettungseinheiten durchgeführt und 270 Personen aus drohender Gefahr befreit.


Vielen Dank an alle Seenotretter der DGzRS!

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